0 DER NARR Der Narr steht für den Beginn, das Unschuldige Kind. Deshalb bedeutet er Offenheit und ein spielerisches Herangehen ans Leben, aber auch fehlendes Gefahrenbewusstsein und Naivität. Offenheit und Unschuld können erfrischend sein, weil sie neue Erfahrungen und geistige Beweglichkeit ermöglichen. Gefährlich sind sie aber dort, wo sie zu naiver Gutgläubigkeit werden. Außerdem kann das spielerische Umgehen des Narren mit allem, was ihm begegnet, in Verantwortungslosigkeit umschlagen bzw. die Unfähigkeit bedeuten, Verpflichtungen einzugehen und einzuhalten. Auf einer abstrakteren Ebene bedeutet der Narr den Anfang, den Beginn, den Startpunkt. Er steht für den Beginn des Lebens, den Beginn der Entwicklung eines Menschen. Die Karte „0 Der Narr“ stellt den Anfangspunkt einer Reise dar, deren Endpunkt die Karte „XXI Die Welt“ ist.
I DER MAGIER Der Magier symbolisiert die Fähigkeit zur Einflussnahme in den Lauf der Welt; er symbolisiert die Macht, die man aufgrund von Fähigkeit und Wissen besitzt. Er steht für Schöpfungskraft und Initiative. Mit anderen Worten: der Magier bedeutet, dass man die Meisterschaft besitzt; dass man das eigene Schicksal aktiv zu meistern gelernt hat. Gefährlich wird diese Karte dort, wo sie bedeutet, dass man seine Macht, sein Wissen, seine Suggestivkraft und sein Charisma dazu benutzt, andere zu manipulieren.
II DIE HOHEPRIESTERIN Die Hohepriesterin steht für Intuition und Weisheit, für Empathie, Vorahnungen, Geduld und Verständnis. Sie hat es nicht nötig, immer sofort in Dinge einzugreifen, die nicht nach ihrem Willen oder im Augenblick nicht vielversprechend ablaufen. Sie weiß, dass alles in Zyklen geschieht, dass schlechte Dinge vergehen und gute wiederkommen und umgekehrt. Die Hohepriesterin kann ruhig sitzen und den Veränderungen gelassen und mit Mitgefühl zusehen. Sie kann sich anderen und auch ihrem Gefühl, ihrer innere Stimme hingeben. Sie strebt danach, die Welt mit ihrer Seele zu berühren und mit ihr Eins zu werden. In ihrer übertriebenen, pervertierten Form kann die Hohepriesterin aber auch zu einer manipulativen Zauberin werden oder in tiefe Depressionen verfallen.
III DIE KAISERIN Die Kaiserin ist der Archetyp Mutter. Sie meint Wachstum, Lebendigkeit, Fruchtbarkeit, Körperlichkeit, Natürlichkeit, Kräfte und Zyklen der Natur, kreative und spontane Schöpferkraft. Sie ist die Löwenmutter, die was ihr lieb ist mit übermenschlicher Kraft und unter Einsatz des eigenen Lebens verteidigt. Sie steht für die bedingungslose Liebe einer Mutter und viele positive Aspekte mehr. Die Kaiserin kann eine warmherzige, willensstarke, einfühlsame und beschützende Herrscherin sein. Aber unter den vielen Bedeutungen dieser Karte gibt es auch negative Aspekte. Die Kaiserin kann ebenso plötzlich Leben vernichten wie sie zuvor Leben hervorgebracht hat - zur Natur gehören nicht nur warmer Sonnenschein und belebender Regen, sondern auch zerstörende Naturgewalten. So wie sie manche bedingungs- und grundlos liebt, liebt sie andere grundlos nicht; ihre Liebe kann man nicht durch gute Taten gewinnen. Die Kaiserin kann besitzergreifend, erstickend, eine Glucke, eine keinen vernünftigen Argumenten zugängliche, grausame Tyrannin sein. Wichtig ist, dass sie die "weibliche" Seite der Herrschaft und damit den Gegensatz zum Kaisers darstellt.
IV DER KAISER Der Kaiser ist der Archetyp Vater. Zu seiner Bedeutung gehört daher alles, was Menschen mit "Vater" assoziieren: Er meint Recht und Ordnung, Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein, Rationalität, Regeln und Selbstsicherheit, gerechte Strenge bzw. strenge Gerechtigkeit. Lohn und Strafe erfolgen aufgrund von rational nachvollziehbaren Kriterien. Die Achtung des Kaisers kann man sich durch Leistung verdienen. Er verkörpert Stabilität, Struktur, Disziplin, Organisationstalent und viele positive Aspekte mehr. Der Kaiser kann ein gerechter, vernünftig-willensstarker und durchsetzungsfähiger Herrscher sein. Aber es gehören auch negative Aspekte zu ihm: Rigidität, Strenge, Emotionslosigkeit und Gefühlskälte, fehlende Verbindung von Geist und Körper, Despotismus und die Unfähigkeit zu Kreativität und Spontaneität. Der Kaiser kann ein kalter, gleichgültiger, unbarmherziger Tyrann sein. Wichtig ist, dass er die "männliche" Seite der Herrschaft und damit den Gegensatz zur Kaiserin darstellt.
V DER HOHEPRIESTER Der Hohepriester symbolisiert das Heilige bzw. den Heiligen, die Heilige. Er steht für die Suche nach und das Finden von Sinn und Wahrheit, er steht für Religiosität, Glaube und Einsicht. Oft weist er uns darauf hin, dass es Zeit ist, der eigenen Spiritualität wieder mehr Raum zu geben, sich nicht von weltlichen Angelegenheiten (Karriere, Stolz, Geld, Genuss...) zu sehr vom tieferen Sinn des Lebens ablenken zu lassen. Außerdem bedeutet der Hohepriester tiefes Vertrauen; er steht für Schutz und guten Rat. Er fordert uns auf, unserer Berufung zu folgen und auf das Leben, auf das Gute, auf unsere Buddha-Natur, auf Gott zu vertrauen. Auch in dieser Karte ist allerdings eine leise Warnung enthalten: Der Hohepriester warnt uns vor Gutgläubigkeit und der naiven Verehrung von falschen Heiligen, sowie vor Heuchelei und selbstgefälliger, zur Schau gestellter Heiligkeit. Er kann also auch bedeuten, dass wir es vielleicht mit unserer Religiosität übertrieben haben, oder dass wir der falschen religiösen bzw. spirituellen Praxis nachgehen.
VI DIE LIEBENDEN Die Liebenden stehen zuerst und vor allem für die aus ganzem Herzen getroffene Entscheidung. Zwar können sie durchaus auch das Verliebtsein eines jungen Paares bedeuten. Meist geht es hier aber um eine Liebe wie die des Paares, das von seinem Zusammenkommen bis zum Tod voll Respekt und mit liebevoller Sorge zusammenlebt. Dies ist ein Paar, das sich füreinander und dazu entschieden hat, den Willen und die Kraft aufzubringen, diese Entscheidung auch in schwierigen Zeiten nicht zurückzunehmen. Die Liebenden bedeuten also im Wesentlichen das mit tiefer Liebe ausgesprochene, vorbehaltslose "Ja". Das kann in vielen Fällen tatsächlich das Ja zu einer romantischen Beziehung sein, aber auch das Ja zu einem Kind, zu mehr Verantwortung im Beruf, zu einem spirituellen Lebensweg, zu einer neuen Wohnung... In jedem Fall aber beinhaltet es die Bereitschaft, die Verantwortung für das zu tragen, was man bejaht, die Bereitschaft, immer mit liebevollem Respekt mit ihm umzugehen.
VII DER WAGENLENKER Der Wagenlenker symbolisiert den vor Energie sprühenden, hoffnungsvollen, oft sehr spontanen Aufbruch des Helden ins Ungewisse, ins Abenteuer, ins Leben. Der Held macht sich voller Risikobereitschaft auf, um den Honigtopf am Ende des Regenbogens zu finden, den Schatz zu heben, den Drachen zu töten, die Prinzessin zu befreien. Seine ist die Energie, die man braucht, um aus eingefahrenen Situationen auszubrechen, aus nicht mehr passenden, beengenden Beziehungen. Seine Haltung braucht man, um einen wirklichen Neubeginn machen zu können, eine wahre Horizonterweiterung zu erlangen. Die Gefahr besteht natürlich darin, sich aus lauter Übermut auf Wagnisse einzulassen, die letztlich fatal enden. Abenteuerlust und Mut sind nicht das gleiche wie Leichtsinn und Selbstüberschätzung.
VIII Die GERECHTIGKEIT Die Gerechtigkeit bedeutet zuallererst das, was ihr Name verspricht: Gerechtigkeit. Dazu gehören neben Fairness auch Objektivität, Sachlichkeit, die Fähigkeit, einen kühlen, klaren Kopf zu bewahren, Urteilsvermögen und Vernunft. Für mich ist besonders wichtig, dass die Gerechtigkeit auch Unterscheidungsvermögen bedeutet. Sie bedeutet, klar zu sehen was gut und was schlecht, was richtig und was falsch ist und sich nicht zu scheuen, diese Unterscheidung zu treffen. Nur wer zu diesen Unterscheidungen fähig ist, ist wirklich selbstverantwortlich. Die Gerechtigkeit steht auch für das Gespür dafür, was angemessen ist, was wie verteilt werden muss um ein Gleichgewicht zu erzielen. Sie steht für den Willen, diese gerechte Verteilung auch dann vorzunehmen, wenn es einen selbst Privilegien kostet. Problematisch wird die Karte dort, wo sie übertriebene Schwarz- Weiß-Malerei, das nicht-Wahrhaben-Wollen von Ambivalentem, vorschnelle Verurteilungen bzw. das Fehlen von Milde beim Urteilen anzeigt.
IX DER EREMIT Der Eremit ist der Archetyp des Alten Weisen. Er zieht sich in Ruhe, Stille und Schweigen zurück, übt sich in Zurückhaltung, Selbstbeherrschung und Askese und sucht Rat in sich selbst und nicht bei anderen. Es geht ihm darum, authentisch zu sein, seinen eigenen Willen zu kennen und zu leben, sich nicht von außen beeinflussen zu lassen. Der Eremit lebt im Wesentlichen mit, in und aus sich selbst. Problematisch wird er dort, wo sein Habitus des Rückzugs ihn in die Isolation treibt, menschenscheu oder verbittert und hart macht, oder wo er beginnt, seine Weisheit zu überschätzen und sich selbst zu beweihräuchern.
X DAS RAD DES SCHICKSALS Das Schicksalsrad steht für eine Erfahrung, die wir alle früher oder später machen müssen: Wir können sehr vieles nicht beeinflussen. Schicksalsschläge treffen uns "einfach so", Notwendigkeiten zwingen uns auf bestimmte Wege, liebe- und mühevoll Vorgeplantes wird verhindert. Es geht uns gut, unsere Bedürfnisse sind befriedigt, wir fühlen uns sicher - aber plötzlich dreht sich das Rad und wir fallen sehr tief. Das Rad des Schicksals fordert uns auf, zu lernen, mit den Unsicherheiten und Zwängen, dem Auf und Ab des Lebens auf eine aktive, produktive Art umzugehen. Wer Rückschläge, Schicksalsschläge und Leid als Quelle von Weisheit sieht, fühlt sich dem Schicksal nicht mehr passiv ausgeliefert. Wer sich bewusst ist, dass schöne Zeiten ein Geschenk sind und sich bald auch Leid einstellen könnte, wird die schönen Zeiten viel mehr zu schätzen wissen. Gelingt es uns nicht, mit dem Schicksalhaften, Zufälligen auf produktive Weise umzugehen, werden wir bald resignieren, fatalistische Denkmuster entwickeln und in ständiger Angst leben.
XI DIE KRAFT Die Kraft steht für das Gleichgewicht von Jungfrau und Löwin in uns, von Geist und Körper, von Intellekt und Leidenschaft, Rationalität und Instinkt. Wird der Jungfrau-Teil, der Geist, zu stark, wird man leidenschaftslos, kalt und kopflastig. Nimmt die Löwin überhand, verfällt man in Süchte, sexuell zügelloses Verhalten und neigt immer mehr zu selbstzerstörerischem und aggressivem Handeln. Die beiden Teile müssen also ausgewogen sein. Die Jungfrau sollte die Löwin unter sanfter Kontrolle halten, darf sie nicht in allem gewähren lassen. Aber sie darf sie auch nicht unterdrücken sondern sollte sie wertschätzen. Es gibt viele Situationen, in denen sie die Löwin ihre Zähne fletschen, ihre Krallen zeigen lassen sollte. Wer diese innere Ausgewogenheit besitzt, hat mehr oder weniger unerschöpfliche Energie und Kraft für alles zur Verfügung, ist leidenschaftlich, ist stets sowohl mit Körper als auch Geist bei der Sache und besitzt Charisma, große Anziehungskraft auf das andere Geschlecht und Durchsetzungsvermögen.
XII DER GEHÄNGTE Der Gehängte ist der Archetyp des Gefangenen bzw. des Gefängnisses oder auch des Opfers. Er steht für Stagnation, dafür, festzusitzen, einem Zustand passiv ausgeliefert zu sein, für Krankheit und Verzicht. Seiner ist ein wirklich unerträglicher Zustand, dem man nicht und nicht entkommen kann – zunächst. Die positive Seite des Gehängten ist aber, dass es oft erzwungene Stillstände sind, die letztlich zu tiefen Einsichten, zu völlig neuen Erkenntnissen, ja einer völlig neuen Weltsicht führen. Viele Menschen berichten, dass sie vor ihrer Lebensumkehr zum Guten eine extrem schmerzhafte Phase des Stillstandes, der Stagnation erlebten. Der Gehängte bedeutet daher oft, dass es nötig ist, sich "umzudrehen", also die Sichtweise auf bestimmte Dinge oder die Lebensweise radikal zu ändern. Tun wir das nicht, bleiben wir weiter "hängen", bleiben wir gefangen, leiden wir weiter.
XIII DER TOD Zu allererst: Der Tod bedeutet nicht, dass jemand sterben wird! Natürlich kann die Karte, wenn das Thema Ihrer Frage mit der tödlichen Krankheit einer bekannten Person verbunden ist, anzeigen, dass Sie sich mit dem Thema des Sterbens auseinandersetzen müssen. Aber die Hauptbedeutung des Todes ist das natürliche Ende von etwas. Das kann das Ende einer lange festgehaltenen Überzeugung, einer Lebensweise, einer Beziehung oder auch einer Sucht sein. In vielen Fällen bedeutet der Tod die Vorstufe einer sehr schönen, befreienden Erfahrung. Denn oft ist es nicht der Vorgang des verfrühten zu-Ende-Gehens von etwas, das uns am meisten Schmerzen bereitet, sondern das Anklammern an etwas, das eigentlich schon hinter uns liegen sollte. Dieses loszulassen und sein Vergehen zuzulassen, kann eine große Erlösung sein. Wer wirklich lebendig sein will, muss die vielen großen und kleinen Tode im Laufe seines Lebens akzeptieren
XIV DIE MÄSSIGKEIT Die Mäßigkeit bedeutet zunächst vor allem Ausgeglichenheit im emotionalen Haushalt, im Umgang mit dem Körper, im Umgang mit Anderen, im Beruf, in der Liebe - in allen Bereichen des Lebens. Selbst in stressigen Zeiten sie innerlich im Gleichgewicht; sie bedeutet Gelassenheit und Gemütsruhe. Die Mäßigkeit kennt keine Übertreibung, keine Prahlerei, keine Aggressivität. Denn sie weiß, dass sie zum Glücklichsein bereits alles hat, was sie braucht. Daher ruht ihre Bescheidenheit. Sie grübelt nicht über die Vergangenheit nach und macht sich nicht übermäßig viel Gedanken über die Zukunft. Sie lebt in der Gegenwart. Deshalb machen ihr keine unnötigen Sorgen zu schaffen. In ihr herrschen innerer Friede und Zufriedenheit mit dem, was der Augenblick bietet.
XV DER TEUFEL Der Teufel steht für Übermaß, Falschheit, Lüge und Betrug, (Selbst)Täuschung und Hinterlist. Er kann Völlerei, unbeherrschte Leidenschaft und Lüsternheit, Aggressivität, Ignoranz, Faulheit und Angeberei bedeuten, kurz: Der Teufel bedeutet, dass irgendetwas im Ungleichgewicht ist, ungesund ist, verlogen ist. Er kann auf Sucht und Hörigkeit, Verführung, Erpressung oder Machtmissbrauch hindeuten; er steht für Verrat und Prinzipienuntreue. Positiv deute ich den Teufel nur dann, wenn die Person, die die Karte gezogen hat, leidenschaftslos bzw. körperfeindlich oder auf extreme, selbstschädigende Weise moralisch überkorrekt ist. In solchen Fällen kann der Teufel durchaus auch als Aufforderung verstanden werden, endlich einmal etwas zu genießen, zu schlemmen, sich nicht jeden kleinsten moralischen Verstoß übel zu nehmen. Solche positiven Auslegungen des Teufels sollten aber eine Ausnahme bleiben.
XVI DER TURM Der Turm steht für Umbrüche, plötzliche, gewaltvolle Veränderungen und Zusammenbrüche. Alte Sicherheiten, ganze Weltbilder fallen in sich zusammen. Kein Stein bleibt auf dem anderen - nichts kann nachher so sein wie vorher. Solche Erfahrungen sind beängstigend, werden als Existenzbedrohung empfunden. Dennoch: In ihnen steckt auch viel Potential. Denn oft steht der Turm für einen Verteidigungswall, der uns nicht schützt wie beabsichtigt sondern uns vom Leben abschottet, der uns die Sicht auf die Welt, wie sie wirklich ist, verbaut. Erst wenn dieser Verteidigungswall vollkommen zusammenbricht, können wir wieder wirklich lebendig sein. Und manchmal bauen wir unser Weltbild auf völlig falschen Fundamenten, auf Lügen auf. Nur ein paar Steinchen von den Zinnen abzutragen und ein neues Dach zu bauen würde nicht ausreichen. Die einzige Chance, etwas wirklich Neues auf wahren, sicheren Fundamenten aufzubauen, ist ein totaler Zusammensturz bis zu den Fundamenten selbst.
XVII DER STERN Der Stern symbolisiert sowohl Hoffnung als auch Weisheit. Zu seinen Bedeutungsebenen gehören deshalb Zuversicht, Aussicht auf Heilung bzw. auf Ganzwerdung und Aussicht auf Frieden. Er deutet Entwicklungen mit einem glücklichen, heilsamen Verlauf an. Seine Weisheit ist jene Weisheit, die man durch einen offenen, weiten Blick und einen Habitus des Sanftmuts und des Mitgefühls erlangt. Für manche Menschen ist der Stern eine problematische Karte, weil sie meinen, sie wären so tief verletzt worden, dass keine Chance auf Heilung besteht. Sie ziehen die Möglichkeit gar nicht mehr in Betracht, dass sich irgendetwas einmal für sie bessern könnte. Ich deute den Stern in solchen Fällen manchmal als Aufforderung, sich Zeit zu nehmen um in sich hineinzuhorchen. Denn tief im Inneren liegt das Bewusstsein vergraben, dass man heil und ganz auf die Welt gekommen ist und deshalb auch wieder heil und ganz werden kann. Der Stern erinnert uns daran, dass allein die Hoffnung auf Heilung und Ganzwerdung uns diesen schon ein ganzes Stück näherbringt.
XVIII DER MOND Der Mond symbolisiert das Unbewusste, das Dunkle, die Schatten- bzw. Nachtseite des Lebens. Er steht für die Berührung der tiefsten Abgründe der Seele, des irrationalen Urgrunds des Lebens. Demnach kann der Mond Zeiten der Trauer anzeigen, Zeiten, in denen man seinen Urängsten begegnet. Er steht für alles was dunkel und versteckt, was rational nicht zugänglich, nicht beschreibbar ist. Wer sich zu ausschließlich der Mondseite des Lebens zuwendet ist, dem fällt es im besten Fall schwer, einer permanenten Stimmung der Melancholie wieder zu entkommen. Im schlimmsten Fall kommt es zur Depression bzw. zu anderen Arten von psychischen Erkrankungen. Eine schöne und eigentlich sogar positive Karte ist der Mond aber trotzdem. Denn es ist erst die Akzeptanz der Nachtseite des Lebens, die der Erfahrung der Lichtseite (Sonne) ihre Oberflächlichkeit nimmt und ihr Tiefe gibt.
XIX DIE SONNE Die Sonne symbolisiert die Lichtseite des Lebens und bedeutet daher alles Positive, Erfüllte, Freudige. Sie bedeutet Optimismus, Glück, Licht und Wärme; sie steht für Lebendigkeit und überschäumende Lebensfreude. Sie kann für Zeiten des Feierns und der sorgenlosen Leichtigkeit stehen. Problematisch ist diese Karte nur dort, wo die Freude oberflächlich bleibt oder künstlich hervorgerufen wird, um die Existenz der dunklen Seite des Lebens zu verdrängen. Menschen, die dies tun, werden von anderen oft als sehr extrovertiert, fröhlich und als “immer zu Späßen aufgelegt” wahrgenommen. Sie selbst fühlen sich aber innerlich oft seltsam gleichgültig und ziellos. Oft beschleicht sie das unangenehme Gefühl, das Leben so wie sie es lebten “könne doch nicht alles sein”. Es fehlt die Tiefe der Beziehung mit den Mitmenschen, mit der Welt. Diese Tiefe erreicht nur, wer auch mit der Schattenseite des Lebens in Berührung steht.
XX DAS GERICHT Das Gericht symbolisiert die Erlösung bzw. die Auferstehung aus dem Dunkel des Grabs in eine lichtvolle, neue Welt, ein neues Leben. Vom Gericht beschriebene Erfahrungen können sehr umfassende, "große" Erlösungen sein, wie zum Beispiel die Erlösung von einer psychischen Erkrankung, die plötzliche Heilung von einer langjährigen physischen Krankheit, die Befreiung aus unerträglichen Abhängigkeiten und so weiter. Solche Erfahrungen machen wir aber im Laufe unseres Lebens natürlich nur sehr wenige. In den meisten Fällen wird das Gericht deshalb die Erlösung von alltäglicheren Problemen bedeuten, wie etwa die Erleichterung und das Entspannen nach einer Stressphase, oder die Lösung eines Konflikts. Manchmal kann das Gericht aber auch darauf hindeuten, dass wir, anstatt selbst aktiv zu werden um uns aus einer unangenehmen Lage zu befreien, passiv (und höchstwahrscheinlich vergeblich) auf die Erlösung „von oben“ warten.
XXI DIE WELT Die Welt ist die Karte mit der wahrscheinlich schönsten Bedeutung des ganzen Decks. Sie symbolisiert die Eins-Werdung, sowohl im Sinne der Integration aller Persönlichkeitsanteile als auch im Sinne der Einheit mit dem Kosmos. Sie meint die Erfahrung der Erleuchtung, die Gotteserfahrung. Auch das Gefühl, endlich seinen Platz in der Welt, seine spirituelle Heimat gefunden zu haben, gehört zu den Bedeutungsebenen der Welt. Die Reise, die bei “0 Der Narr” begonnen wurde, ist nun zu Ende. Eine positivere Karte können Sie nicht ziehen: Die Welt symbolisiert jenes Angekommensein, das einen nicht schon bald langweilt und wieder weitertreibt, sondern das ewig ist. Sie symbolisiert das wiedergefundene Paradies.